Trotz strenger Sicherheitsmaßnahmen gelingt es immer wieder, illegale Substanzen hinter die Gefängnismauern zu bringen. In diesem Artikel beleuchten wir die verschiedenen Methoden, Wege und Gründe, warum und wie Drogen, insbesondere Cannabis, in deutsche Haftanstalten gelangen.
Die hohe Nachfrage nach Drogen in Haft
In deutschen Gefängnissen sitzen derzeit rund 50.000 Menschen ein. Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) sind etwa 27 % der männlichen und 28 % der weiblichen Gefangenen drogenabhängig. Diese Zahlen verdeutlichen den hohen Bedarf und die Nachfrage nach Betäubungsmitteln innerhalb der Haftanstalten. Für viele Inhaftierte sind Drogen ein Mittel zur Bewältigung von Stress, Langeweile oder psychischen Problemen, die durch die Haftbedingungen verstärkt werden können.
Die "Straßen" ins Gefängnis: Wege des Drogenschmuggels
Im Gefängnisjargon werden die Wege, über die Schmuggelware ins Innere gelangt, als "Straßen" bezeichnet. Diese "Straßen" sind vielfältig und nutzen oft die Schwachstellen des Systems aus.
Beteiligte Personen
Justizvollzugsbeamte und Personal: Trotz strenger Kontrollen und Vorschriften kommt es vor, dass Beamte bestechlich sind. Im Jahr 2019 wurde in der JVA Tegel in Berlin ein Beamter verhaftet, der gegen Geldzahlungen Mobiltelefone und Drogen eingeschmuggelt hatte (Quelle: Tagesspiegel). Solche Fälle sind zwar die Ausnahme, zeigen aber, dass das Personal eine potenzielle Schwachstelle darstellt.
Externe Dienstleister: Handwerker, Lieferanten und andere externe Mitarbeiter haben oft Zugang zu weniger überwachten Bereichen der Haftanstalten. 2020 wurde in Nordrhein-Westfalen ein Fall bekannt, in dem ein Handwerker Drogen in eine JVA schmuggelte (Quelle: WDR). Die regelmäßigen Ein- und Ausgänge dieser Personen bieten Möglichkeiten für den Schmuggel.
Besucher und Anwälte: Trotz intensiver Kontrollen gelingt es Besuchern manchmal, Drogen zu übergeben. Verstecke in Kleidung, Schuhen oder persönlichen Gegenständen sind gängige Methoden. In einigen Fällen werden auch Anwälte für den Schmuggel missbraucht, da sie besonderen Vertrauensregeln unterliegen.
Freigänger und Ausgangsberechtigte: Inhaftierte, die temporär die Anstalt verlassen dürfen, nutzen diese Gelegenheiten gelegentlich zum Schmuggel. Sie kehren mit versteckten Drogen zurück in die Haftanstalt. Körperöffnungen werden dabei häufig als Versteck genutzt, da sie aus Gründen der Menschenwürde nicht immer intensiv kontrolliert werden können.
Methoden des Schmuggels
Körperöffnungen: Drogen werden in Körperöffnungen versteckt, um Kontrollen zu umgehen. In Bayern wurden 2018 mehrere Fälle bekannt, bei denen Inhaftierte Drogen auf diesem Weg einschleusten (Quelle: Süddeutsche Zeitung). Diese Methode ist riskant, sowohl für die Gesundheit der Schmuggler als auch für die Sicherheit des Gefängnisses.
Postsendungen: Trotz strenger Kontrolle von Briefen und Paketen gelingt es immer wieder, Drogen in Postsendungen zu verstecken. Eine gängige Methode ist das Tränken von Papier mit synthetischen Drogen, die dann von den Inhaftierten konsumiert werden können.
Über-die-Mauer-Würfe: In einigen Fällen werden Drogenpakete über die Gefängnismauern geworfen. 2017 wurden in der JVA Frankfurt am Main Tennisbälle mit Drogen gefüllt und über die Mauer geworfen (Quelle: Frankfurter Rundschau). Diese Methode ist zwar riskant, kann aber erfolgreich sein, wenn sie nicht rechtzeitig entdeckt wird.
Drohnen: Mit fortschreitender Technologie nutzen Schmuggler auch Drohnen, um kleine Pakete über die Mauern zu transportieren. 2019 wurde in Brandenburg eine Drohne mit Drogenlieferung vor einer JVA abgefangen (Quelle: Märkische Allgemeine). Diese Methode stellt
eine neue Herausforderung für die Sicherheitssysteme der Gefängnisse dar.
Unwissende Kuriere: In einigen Fällen werden unwissende Personen, wie z. B. Pastoren oder ehrenamtliche Helfer, zum Transport von Drogen missbraucht. Ein Pastor brachte unwissentlich Drogen ins Gefängnis, die in seinem frisch gemahlenen Kaffee versteckt waren.
Vom Cannabis zu "Legal Highs": Veränderte Konsummuster
Cannabis war lange Zeit die bevorzugte Droge unter Inhaftierten. Allerdings hat sich der Trend zu sogenannten "Legal Highs" verschoben. Dabei handelt es sich um synthetische Cannabinoide oder andere psychoaktive Substanzen, die auf Papierschnipsel geträufelt werden.
Unauffälligkeit: Diese Substanzen haben keinen starken Geruch wie Cannabis und können leichter verborgen werden. Sie lassen sich in Briefen oder Dokumenten verstecken und sind für das ungeübte Auge schwer zu erkennen.
Kleine Mengen, große Wirkung: Bereits winzige Mengen dieser Substanzen können eine starke psychoaktive Wirkung entfalten. Dies erleichtert den Schmuggel erheblich, da nur sehr kleine Mengen transportiert werden müssen.
Schwierige Nachweisbarkeit: Viele dieser synthetischen Drogen sind chemisch so verändert, dass sie von Standardtests nicht erfasst werden. Dies erschwert die Arbeit der Sicherheitskräfte zusätzlich.
Allerdings sind diese Substanzen oft deutlich gefährlicher als natürliche Drogen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt vor unberechenbaren Wirkungen und schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen durch den Konsum von "Legal Highs".
Die Motivation hinter dem Schmuggel: Profit und Abhängigkeit
Der Schmuggel von Drogen in Gefängnisse ist sowohl für die Schmuggler als auch für die Konsumenten attraktiv.
Hohe Gewinnspannen: Drogen erzielen im Gefängnis bis zu das Vierfache ihres Straßenwerts. Dies macht den Schmuggel für Kriminelle besonders lukrativ. Die hohen Preise begründen sich durch das hohe Risiko und die begrenzte Verfügbarkeit.
Sucht und Abhängigkeit: Viele Inhaftierte sind drogenabhängig und suchen nach Möglichkeiten, ihren Konsum fortzusetzen. Die psychische und physische Abhängigkeit treibt sie dazu, auch hohe Preise zu zahlen oder Risiken einzugehen.
Gefälligkeiten und Bestechung: In einigen Fällen bieten Inhaftierte Geld, Gefälligkeiten oder sogar sexuelle Dienste an, um an Drogen zu gelangen. Ein Beispiel dafür ist ein Fall aus der JVA München, in dem eine Insassin einem Beamten sexuelle Gefälligkeiten anbot, um Drogen zu erhalten (Quelle: BR24).
Sicherheitsmaßnahmen und Herausforderungen
Die Justizbehörden setzen verschiedene Maßnahmen ein, um den Schmuggel von Drogen zu verhindern:
Kontrollen: Einsatz von Körperscannern, Drogenspürhunden und intensiven Durchsuchungen von Zellen und Personen. Diese Maßnahmen sind jedoch zeitaufwändig und belasten das Personal.
Überwachung des Postverkehrs: Briefe und Pakete werden auf verdächtige Substanzen überprüft. Dies schränkt jedoch die Privatsphäre der Inhaftierten ein und kann rechtliche Grenzen haben.
Technologische Lösungen: Installation von Drohnenabwehrsystemen und verbesserten Sicherheitsanlagen. Diese Technologien sind jedoch teuer und können nicht alle Risiken eliminieren.
Personalfortbildung: Schulungen für Justizvollzugsbeamte sollen deren Sensibilität für Schmuggelmethoden erhöhen und sie auf Bestechungsversuche vorbereiten.
Trotz dieser Anstrengungen bleibt der Schmuggel ein ernstes Problem. Die Kreativität der Schmuggler und die hohe Nachfrage nach Drogen machen es schwierig, alle Wege zu schließen.
Auswirkungen der möglichen Legalisierung von Cannabis
Die Debatte um die Legalisierung von Cannabis in Deutschland wirft Fragen auf, wie sich dies auf den Drogenkonsum in Gefängnissen auswirken könnte.
Erlaubnis zum Konsum in Haft?: Auch wenn Cannabis legalisiert wird, bedeutet dies nicht automatisch, dass Inhaftierte es konsumieren dürfen. Gefängnisse haben eigene Regelwerke, und der Konsum von Rauschmitteln könnte weiterhin verboten bleiben.
Reduzierung des Schmuggels?: Eine Legalisierung könnte den Schmuggel von Cannabis reduzieren, da die Beschaffung legaler Wege möglich wäre. Allerdings könnte der Fokus dann auf andere, weiterhin illegale Substanzen verlagert werden.
Therapeutischer Einsatz: In einigen Fällen könnte medizinisches Cannabis unter ärztlicher Aufsicht zur Behandlung von bestimmten Erkrankungen eingesetzt werden. Dies müsste jedoch individuell geprüft und geregelt werden.
Rechtliche Rahmenbedingungen: Es bedarf klarer gesetzlicher Regelungen, wie mit dem Konsum von Cannabis in Haft umzugehen ist. Dies betrifft auch Fragen der Sicherheit und des Jugendschutzes innerhalb der Haftanstalten.
Die Auswirkungen einer Legalisierung auf den Gefängnisalltag sind noch unklar und müssen sorgfältig analysiert werden. Es besteht die Möglichkeit, dass eine kontrollierte Abgabe unter strengen Auflagen positive Effekte haben könnte. Gleichzeitig müssen die Risiken und potenziellen negativen Folgen berücksichtigt werden.
Ein komplexes Phänomen ohne einfache Lösung
Der Schmuggel von Drogen in Gefängnisse ist ein vielschichtiges Problem, das sowohl individuelle als auch systemische Faktoren umfasst. Die hohe Nachfrage nach Drogen unter Inhaftierten trifft auf kreative Schmuggelmethoden und potenzielle Schwachstellen im System.
Die Legalisierungsdebatte bietet Chancen und Herausforderungen zugleich. Eine mögliche Reduzierung des Schmuggels von Cannabis muss gegen die Risiken abgewogen werden, die mit dem Konsum von Drogen in Haft verbunden sind.
Es bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes, der Prävention, Therapie und Resozialisierung kombiniert. Nur so kann langfristig der Drogenkonsum in Haft reduziert und die Sicherheit in den Gefängnissen erhöht werden.
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